Bereits im vergangenen Jahr hatte ich die Gelegenheit, am XC-Seminar mit Ferdinand „Ferdi“ Vogel in Bassano teilnehmen zu können. Das ganze Jahr über habe ich Ferdis Tipps reflektiert, versucht, in den leider viel zu wenigen Flugstunden an meinen Baustellen zu arbeiten und in allen Facetten des Gleitschirmfliegens ein Stückchen voran zu kommen. Als sich im November 2022 dann für mich die Möglichkeit eröffnete, auch am 2023er Training teilzunehmen, war die Buchung nur noch eine Formalität… Natürlich wollte ich! 🙂
Um nach der flugarmen Winterzeit vor dem Seminar wieder ein wenig Luft unter meinen Epsilon 9 zu bekommen, bin ich schon einige Tage vor dem Seminarstart nach Bassano gefahren. Wie vor jedem Flugurlaub gestalteten sich die Tage vor der Abreise spannend: Wie würde das Wetter werden? Würde es fliegbar sein? Vielleicht sogar gut? Und bähm: Alles hat gepasst! An jedem Tag konnte geflogen werden und wie! 🙂
So konnte ich an den Eingewöhnungstagen vor dem Seminar bereits etliche Flugstunden sammeln, sodass ich mit deutlich gesunkener Nervosität und dafür umso größerer Vorfreude zu Monika „Moni“ Ellers Casa del Cuore hochgefahren bin. Monis Fly & Bike Lodge befindet nur wenige Kehren unterhalb des Oststartplatzes, also im oberen Hangbereich. Von da aus hat man nicht nur einen fantastischen Blick über Bassano del Grappa und kann an klaren Tagen am Horizont Venedig erahnen, dank des eigenen Startplatzes und etwas vorgelagerten Landeplatzes kann man sogar quasi direkt aus der Unterkunft abheben.
Gefühlt knüpfte das Seminar genau an der Stelle an, an der wir uns im vergangenen Jahr voneinander verabschiedet hatten. Moni hatte alles Organisatorische bestens im Griff, das Haus und die Zimmer waren liebevoll vorbereitet und Ferdi stieg in seiner aus den Youtube- und DHV-Webinars bekannten ultranetten Art in die Vorstellungsrunde ein. Einige kannten sich bereits aus dem vergangenen Jahr, für mich waren aber auch einige neue Gesichter dabei, mit denen ich hoffentlich auch in Zukunft in Kontakt bleiben werde!
Die Seminartage waren viergeteilt:
- Nach dem gemeinsamen Frühstück wurde das Wetter analysiert und dabei das fliegerische Potenzial des Tages besprochen. Wo könnte man fliegen? Welche Besonderheiten würden auf die Teilnehmer warten? Wie würde man die Flüge anlegen, welche Wendepunkte setzen usw.
- Dann sind wir zum jeweiligen Startplatz gefahren. Vor dem eigentlichen Start wurde noch einmal detailliert besprochen, wie sich das Wetter entwickelt hatte: Gab es mittlerweile Unterschiede zur Prognose? Waren bereits andere Piloten in der Luft? Wann würde der beste Startmoment sein? Welche Routenwahl würde welche Pros und welche Cons bieten? Dabei hat Ferdi immer gemahnt, dass wir zu jeder Zeit die Flugbedingungen analysieren sollen. Kein einfaches Rumstehen – es wurde beobachtet, diskutiert und dabei wurden zahllose Details besprochen.
- Nach dem Start haben wir versucht, in der Gruppe zu fliegen, also gemeinsam aufzudrehen, auf Strecke zu gehen usw. Wie bereits im Vorjahr, ist Ferdi wieder in der Luft um die Teilnehmer gewuselt, hat per Funk Fehler angesprochen, Möglichkeiten aufgezeigt, flugtaktische Entscheidungen besprochen und begründet. Gerade war er noch vor den Teilnehmern, um auszukundschaften, wie sich eine Stelle anfühlt, schon tauchte er wieder ab, um Nachzüglern den Anschluss zu erleichtern. Dies alles mit Kommentaren, die genau zu rechten Zeit, im optimalen Ton und – was für mich besonders wichtig ist – im idealen Umfang ankamen. Also kein „Zuquatschen“, sondern ein mit wenigen Worten freundliches Ansprechen, manchmal auch ein etwas mahnenderer Weckruf, aber stets in dem für mich perfekten Ton. Nach jedem Flug haben wie Teilnehmer uns gefragt, wie ihm das alles in dieser herausragenden Qualität gelingt!
- Im Debriefing wurde dann der Flugtag sehr detailliert besprochen. Was hatten wir richtig gemacht? Gibt es Verbesserungspotenzial? Wie hatte sich das Wetter entwickelt? Hatten wir das Optimum herausgeholt? Wie war es den Teilnehmern ergangen? Welche kritischen Stellen gab es und wie sind wir damit umgegangen? Nichts blieb offen, alles wurde analysiert! Diese Gespräche waren für mich eine wundervolle Gelegenheit, meine eigenen über den Tag gesammelten Eindrücke und Erfahrungen zu analysieren und zu besprechen – sehr wertvoll und lehrreich!
Und dann gab es ja noch jeden Tag das ultraleckere Abendessen, das der ehemalige Gastronom Tarek, ein anderer Seminar-Teilnehmer, gezaubert hat. Tarek, gepriesen seist Du für Deine Kochkünste! 🙂
Fliegerische Höhepunkte
Drei Flüge sind mir besonders im Gedächtnis geblieben – aus verschiedenen Gründen:
XC-Flug in Feltre
Als Bassano an einem Tag wegen eines prognostizierten starken Westwindes nur wenig Potenzial versprach, sind wir nach Feltre ausgewichen und vom Monte Avena gestartet, den man als Privatmensch mangels Shuttlebetriebs nicht ohne Weiteres sinnvoll nutzen kann. Für mich war dieser Tag besonders wertvoll, weil ich dieses Fluggebiet noch nicht kannte. Kurz nach Mittag sind wir gestartet und nach dem ersten Aufdrehen an die Basis zu viert auf Strecke gegangen. Nach dem ersten Talsprung musste ein anderer Teilnehmer leider aussteigen, sodass es wir dann nur noch zu dritt unterwegs waren. Was für eine atemberaubend schöne Landschaft! Hohe Gipfel, schroffe Felsen, tiefe Täler, Stausseen, kleine Bergseen, Flussläufe mit interessant geschwungenen Flussbetten – ich konnte mich nicht satt sehen! Aber auch die Bedingungen waren spannend. Die Windsituation entsprach nicht ganz den Prognosen, entsprechend mussten wir uns umstellen und von Rippe zu Rippe, von Thermik zu Thermik hangeln. Für mich waren viele lehrreiche Passagen dabei, in denen Leesituationen beurteilt werden und flugtaktische Entscheidungen getroffen werden mussten. Nach rund 30km ist mir dann eine solche Entscheidung zum Verhängnis geworden. Ich hatte es versäumt, hoch genug aufzudrehen, und prompt an der nächsten vermuteten sicheren Thermikquelle nichts gefunden, sodass ich den Flug abbrechen musste. Ich konnte mental aber schnell umschalten und habe die Gelegnheit genutzt, Außenlandungen zu üben und bin nach einer sauberen Landeinteilung gut gelandet. Ferdi tat es am Funk leid, dass ich abgetropft war. Für mich waren es aber ultraspannende 30km XC in einem neuen Fluggebiet – toll! Und hätte ich nicht landen gehen müssen, hätte ich Andrea nicht kennengelernt: Als ich bereits 10km in Richtung Feltre zurückgewandert war, hielt plötzlich ein netter Italiener und erkundigte sich, ob er mich mitnehmen könne! Wir hatten die restlichen 25km zurück zu den anderen ein interessantes Gespräch übers Fliegen, das Leben in Italien und viele andere Dinge. In Feltre waren Ferdi und Chris bereits wieder gelandet – sie waren nicht nur noch ein Stückchen jenseits meines Landeplatzes weitergeflogen. Sie hatten es sogar geschafft, bis zum Startplatz zurück zu fliegen! Was für ein Tag, für alle Beteiligten!
Misslungene Brentaquerung
Nanu, eine misslungene Brentaquerung soll ein Highlight sein? Ja, für mich schon! Nach einem bereits mehrere Stunden dauernden Flug flogen wir über dem Oststartplatz ab. Bis Talmitte passte die Peilung, doch dann wurde mir klar: Nein, das wird nichts. Der Gegenwind hatte mich schon so weit runtergedrückt. Also habe ich abgebrochen, bin umgekehrt und habe noch versucht am Gegenhang Höhe zu machen – vergebens. Rechtzeitig habe ich mich zur Landung entschieden, eine passende Außenlandewiese gesucht, eine gute Landeeinteilung gemacht und sicher gelandet. Genau mit diesen beiden Entscheidungen, die Querung zum richtigen Zeitpunkt zu beenden und später das Hangkratzen rechtzeitig abzubrechen, um die Ressourcen für eine gute Landeeinteilung und Landung zu verwenden, bin ich sehr zufrieden! Dies machte dann auch den eigentlich verkürzten XC-Flug für mich zu einem Erfolg.
XC-Flug über die Brenta
Eigentlich wollten wir den vorausgesagten Westwind nutzen, um einen One-Way-Flug in Richtung Osten zu unternehmen, also das Piavetal zu überqueren, oder kurz davor zu landen, um dann am nächsten Startplatz östlich davon noch einen weiteren Flug in Angriff nehmen zu können. Doch dann kam es anders: Wie geplant flogen wir zunächst nach Osten. Kurz vor dem Piavetal zog es dann aber nicht mehr durch und der Westwind war auch deutlich schwächer als erwartet. Also kehrten wir nach Westen um und hangelten uns gegen den Wind vor. Zwischendrin hatte ich eine Bastelstelle, an der ich einige Zeit investieren musste, um wieder genügend Höhe zu bekommen. Moni, die an diesem Tag mitflog, gab wertvolle Tipps, sodass wir aber schon bald wieder in komfortabler Höhe über dem Oststartplatz kreisten. Also los, dann auf die andere Seite des Brentatales. Diesmal bin ich in ausreichender Höhe angekommen und habe mich auf der anderen Talseite wieder hochgekämpft. Erst hangnah etwas mühsam, später sehr chillig in den vorgelagerten Thermiken. Ferdi und zwei andere Teilnehmer sind am Rubbio topgelandet. Ich habe die Möglichkeit, meine erste Toplandung zu machen, aber ausgeschlagen. Ich hatte schon über drei Stunden Flugzeit auf der Uhr und meine Konzentration war nicht mehr auf ihrem Höhepunkt. Also sind Moni und ich zurückgeflogen, hatten noch einen schönen Flug im Flachen und sind nach insgesamt rund 4 Stunden sicher gelandet.
Das Seminar war für mich wieder ein Volltreffer. Unzählige interessante Gespräche, viele wertvolle Tipps und Anregungen, die mich in den kommenden Monaten noch beschäftigen werden. Inklusive der Vorbereitungstage über 19 Flugstunden, die Einführung in ein neues Fluggebiet und das überaus angenehme Privileg, mit netten Menschen viel Zeit verbracht haben zu dürfen!
Herzlichen Dank an alle Beteiligten! Hoffentlich bis bald! 🙂
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