Wenn man sich zu diesem Thema informiert, prasseln viele Meinungen auf einen ein: Für die einen kommen Liegegurtzeuge wegen einer erhöhten Eindrehgefahr, also letztlich aus Sicherheitsgründen, nicht in Frage. Andere empfehlen den Wechsel vom Sitz- auf ein Liegegurtzeug bereits nach wenigen Flugstunden. Streckenpiloten schwören auf den Leistungsgewinn. Kaltwetterpiloten führen den Windschutz an und erwähnen länger warm bleibende Füße, Beine und Blasen…

Was macht man denn nun… Erschwerend kommt hinzu, dass diese unterschiedlichen Meinungen nicht nur an Stammtischen, sondern von äußerst ernst zu nehmenden „Altvorderen“ der Gleitschirmszene geäußert werden, zu denen ich aufblicke! Mist! 😉 Die letzte von mir identifizierte Gruppe soll hier nicht unerwähnt, dafür selbstverständlich unbeachtet bleiben – die Damen und Herren, denen die Ästhetik und ein vermeintlicher Statusgewinn die ausschlaggebenden Argumente für den Erwerb eines Liegegurtzeuges gewesen zu sein scheinen…

Werfenweng

Doch wie fliegt es sich nun eigentlich in einem Liegegurtzeug? Wie funktioniert die Gewichtsverlagerung? Fühlt es sich im Vergleich zu einem Sitzgurtzeug vielleicht instabil an? Und wie ist das eigentlich mit dem Ein- und Ausstieg? Ich habe da natürlich so manche Ausgabe der unter Gleitschirmpiloten bekannten Kössen-Bloopers vor Augen, bei denen immer wieder Piloten bei der Landung nicht aus dem Gurtzeug herausgekommen sind und infolge dessen mit äußerst niedrigen B-Noten gelandet sind, wenn man das so nennen kann.. 😀

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich habe mir ein Liegegurtzeug ausgeliehen, um mich der Beantwortung dieser Fragen zu nähern. Meine Wahl fiel dabei wegen seiner relativ hohen passiven Sicherheit auf das Advance Lightness 3. Die erste potenzielle Baustelle, das Anlegen des Gurtzeugs, war nicht der Rede wert. Zwei solide Schnallen und ein simples Befestigungssystem des Beinsacks machen die Startvorbereitungen nicht wirklich komplizierter als bei meinem Sitzgurtzeug Advance Success 4 – sehr gut!

Vor dem Tennengebirge.

Nächster Halt: Das Verstauen der Füße nach dem Start. Dabei hatte ich so meine Momente… Ohne Zuhilfenahme von mindestens einer Hand ist es mir bei 6 Flügen nicht gelungen, mit den Füßen in das Gurtzeug reinzukommen. Ich weiß, dass man dieses Problemchen mit einem kleinen Gummi, den man am Schuh und dem Beinsack befestigt, umgehen kann. Aber gut zu wissen, wie sich das ohne Helferlein anfühlt.

Nun kam der wichtigste Part: Das Fliegen. Angefangen habe ich in toter Morgenluft – keine Turbulenzen, keine Thermiken, also einfaches Gleiten. Es macht Spaß. Gewichtsverlagerungen werden durch die Füße bzw. deren Druck gegen das Fußbrett initiiert und fühlen sich intuitiv an. Mein erster Eindruck war, dass das für mich gut machbar ist. Rollen und Stabilisieren nur über Gewichtsverlagerungen hat sofort geklappt. Gut, das ist zumindest meine „Innensicht“. Da müsste ganz sicher nochmal ein Fluglehrer draufschauen, damit ich mir keinen Quatsch antrainiere…

Doch wie ist das in (ruppiger) Thermik, wenn es dann doch zu unerwarteten, von außen induzierten Pendelbewegungen kommt, die man fix stoppen können sollte? Auch das habe ich beim letzten Flug in Werfenweng ausprobieren können. Bei starken Thermiken, die mit teilweise integrierten 5m/s hochzogen, hatte ich keine Probleme. Bei „hackigem Thermikmist“ auch nicht wirklich. Mhm, es sieht gut aus!

Die Übersicht nach unten leidet natürlich ein wenig, allerdings konnte ich zumindest bei meinem Testmodell am Beinsack vorbei nach unten schauen. Und letztlich könnte man ja auch die Beine anziehen. Einen Punkt habe ich nicht ausprobiert: Allerdings gehe ich davon aus, dass das Handling von Urinalkondomen im Liegegurtzeug bei weitem angenehmer ist als im Sitzgurtzeug. Schließlich sitzt man nicht im Freien und viele Liegegurtzeuge haben eine entsprechende seitliche Austrittsöffnung. Nun bin ich mit meinen Flügen der 4h-Klasse noch lange kein XC-Crack, sodass dieses Thema noch nicht ganz oben auf der Liste steht. Aber das kann ja noch kommen…

Der letzte Punkt auf meiner Liste waren die Landungen. Kössen-Bloopers-Prophylaxe, sozusagen… Nachdem ich festgestellt habe, wie leicht man tatsächlich aus dem Gurtzeug kommt, wenn man das rechtzeitig vor der Landung macht, war ich auch in diesem Punkt beruhigt.

Mhm, was hat mir der Test nun gebracht?

Eigentlich nur eins: Ich schließe den Kauf eines Liegegurtzeugs nicht kategorisch aus, es hat mir großen Spaß gemacht, und ich habe mich beim Fliegen sicher gefühlt.

Ungeklärt ist, ob die Sicherheitsbedenken tatsächlich ausgeräumt werden können. Vermutlich werde ich das ganze Programm nochmal in einem Siku durchgehen. Mit echten Kappenstörungen und ’nem Experten am Funk, der hoffentlich helfen kann, wenn dabei doch etwas schief geht…

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