Am letzten Urlaubstag in der Hohen Tatra haben wir eine wundervolle Tour unternommen, die mir noch lange in Erinnerung bleiben wird. In vielerlei Hinsicht beinhaltet diese Wanderung all das, was ich an der Hohen Tatra so liebe: Abwechslungsreiche Wege, wundervolle Ausblicke, Berghütten, Bergseen, Wasserfälle und Kletterpassagen – einfach wundervoll!

An diesem Tag liegt unser Wandergebiet im östlichen Teil der Hohen Tatra, ganz in der Nähe der ikonischen Lomnitzspitze, ist also ein gutes Stück von unserer Ferienwohnung in Štrba entfernt. Dank der hervorragenden Infrastruktur im Slowakischen Teil der Hohen Tatra ist es aber nur ein Klacks, zu unserem Ausgangspunkt, dem Hrebienok, zu gelangen: Wir nehmen die Zahnradbahn bis zum Štrbské Pleso, steigen dort in die Tatrabahn um, fahren bis Stary Smokovec und nehmen dort die Standseilbahn zum Hrebienok. Bereits nach einer guten Stunde Fahrtzeit können wir unsere Wanderung starten.

Wir folgen zunächst nicht dem kürzesten Weg zur Téryho Chata (dt. „Téryhütte“), sondern nehmen im ersten Abschnitt den längeren grünen Weg – so kommen wir an einigen sehr schönen Wasserfällen vorbei, die die paar zusätzlichen Gehminuten allemal wert sind! Kurz nach der Rainerova Chata (dt. „Rainerhütte“) vereinigt sich der grüne Wanderweg mit der Tatramagistrale, die erst kurz vor der Zamkovského Chata (dt. „Zamkovskyhütte“) weiter in Richtung Osten abbiegt. Wir bleiben jedoch auf dem grün markierten Weg, der nun fast in gerader Linie mit moderater Steigung in Richtung Téryho Chata strebt. Zunächst geht es noch durch den Wald, schon bald wird das Gelände offener. Auf der rechten Seite prangt weit oben die Lomnitzspitze, und in der Ferne kann man schon den Wasserfall direkt unter der Téryho Chata ausmachen, die ganz vorne an der Klippe steht – was für ein toller Anblick!

Erst kurz vor dem Wassserfall wird der Weg steiler. Die letzten Meter vor der Hütte führen an einem zweiten Wasserfall vorbei, und wenig später stehen wir direkt vor der Téryho Chata und befinden uns nun auf einem Hochplateau mit drei sehr schönen Bergseen. Wir machen eine kurze Pause, essen und trinken etwas und besprechen den weiteren Plan:

Von hier an wollen wir unseren Wandertag getrennt verbringen: Während meine bessere Hälfte vor Ort in aller Ruhe die Seen erkunden und dann auf demselben Weg zurück zum Hrebienok gehen möchte, reizt mich die große Runde über das Nachbartal Vel’ká Studená Dolina. Im späten Nachmittag wollen wir uns dann wieder am Ausgangspunkt treffen.
Mein Weg beinhaltet dabei etliche zusätzliche Höhenmeter und ist deutlich länger – ich verabschiede mich also bald und gehe nun sehr zügig auf dem gelben Pfad, der zunächst unterhalb der Pfinnova Kopa steil hinaufführt – hier sind stellenweise Stahlketten angebracht, die ich bei den idealen Bedingungen an diesem Tag aber kaum brauche. Dann schlängelt sich der Weg um den Berg und führt für kurze Zeit wieder ein Stück nach unten. An der Wegkreuzung bleibe ich auf dem gelben Weg – der blaue Pfad geht in Richtung Polen. Vor mir liegt nun ein unangenehm zu begehendes rutschiges Geröllfeld, das ich aber schnell in engen Serpentinen hochsteige, weil ich über mir bereits den Einstiegspunkt zu einem der absoluten Highlights der Tour sehe.

Rund Hundert Höhenmeter unter dem Priečne Sedlo (in dt. Sprache als „Prinzensattel“ bekannt), der die Verbindung zum Nachbartal Vel’ká Studená Dolina ist, beginnt eine fast senkrechte Wand, die man von Sicherungsketten und Metallklammern unterstützt durchsteigen muss. Diese Passage würde ich nur bei gutem Wetter und für äußerst trittsichere Wanderer empfehlen, die absolut keine Höhenangst haben und in der Lage sind, sich an Stahlketten emporzuziehen. Ein Helm als Schutz vor herabfallenden Steinen kann sicherlich auch nicht schaden. Wer ein Klettersteigset parat hat, kann auch auf den nur wenige Meter entfernt parallel verlaufenden Klettersteig niedriger Schwierigkeit ausweichen, der nicht zuletzt zur Entlastung der normalen Route eingerichtet worden ist.

Ich habe auf meiner Tour das große, große Glück, weder Vorsteiger noch Gegenverkehr zu haben, habe diese Passage also ganz für mich und kann die Wand mit einem großen Grinsen auf dem Gesicht hochklettern! Was für ein gewaltiger Spaß! 🙂
Der Abstieg auf der anderen Seite des Sattels gestaltet sich nicht ganz so steil, ist aber auch mit Ketten und Metallklammern gesichert. Direkt nach dem versicherten Abstieg folgt ein rutschiger Geröllabschnitt, der wenig später glücklicherweise in einen wunderbaren Bergweg übergeht. Die Zbojnícka Chata (dt. „Räuberhütte“) liegt ebenfalls auf meinem Weg und ist hier und da bereits in der Ferne zu sehen. Sie versteckt sich ganz in der Nähe eines Bergsees hinter einer Erhebung und lugt hin und wieder hervor. Es dauert aber noch etwas, bis ich sie erreiche, weil der Weg in einer großen Schlaufe fast den ganzen hintern Abschnitt des Vel’ke Studena Dolina durchmisst. Ich passiere u.a. die malerischen Bergseen Starolesnianske Pleso und Sesterské Pleso, umkurve Felsrippen, passiere Schneefelder und habe auf diese Weise ständig neue Perspektiven und tolle Ausblicke. Hoch über dem Talschluss erkenne ich den Pol’sky Hrebeñ, auf dem ich einige Tage zuvor gestanden habe und wetterbedingt eine Tour abgebrochen habe. So fügt sich alles zusammen…

Ich mache kurz an der Räuberhütte Halt, trinke etwas und beobachte dabei amüsiert einen Fuchs, der wie zufällig an rastenden Wanderern vorbeischlendert und vermutlich auf den einen oder anderen zusätzlichen Happen hofft, sich aber bald ins freie Gelände trollt. Auch ich muss los – ich will mich beeilen und das hohe Tempo halten – schließlich möchte ich meine bessere Hälfte tief unten im Tal nicht warten lassen… 😉 Der gelbe Weg endet an der Räuberhütte. Von nun an bin ich auf dem blau markierten Pfad unterwegs, der zunächst steil nach unten führt und dann mehr oder weniger in gerader Linie dem Fluss folgt. Ich genieße den Abstieg und schaue dabei immer wieder auf das eindrucksvolle Bergpanorama. Die letzten Kilometer führen zunächst durch Latschengelände und anschließend durch den Wald – ebenfalls sehr schön!

An der letzten Brücke vor dem Hrebienok treffen unser Hinweg und mein Rückweg aufeinander, und ich warte noch kurz auf meine bessere Hälfte, die wenig später eintrifft. Wir erzählen uns begeistert von unseren Erlebnissen, fahren mit der Standseilbahn zurück nach Stary Smokovic und lassen uns das Abendessen im wirklich empfehlenswerten Restaurant „Koliba Kamzík“ schmecken, bevor wir mit der Tatrabahn und einem Regionalzug zurück nach Štrba fahren, wo wir bereits nach weniger als einer Stunde Fahrtzeit ankommen.

Was für ein wunderbarer erfüllter Tag und gelungener Abschluss unseres Tatra-Urlaubs! 🙂

Meine große Runde ist mit Sicherheit eine der schönsten Wanderungen in der Hohen Tatra! Es ist eine lange Tour mit unzähligen Highlights, die ich gerne allen Wander:innen empfehlen möchte, die konditionsstark und absolut trittsicher und frei von Höhenangst sind! Mit diesen Voraussetzungen ist die Tour ein purer Genuss!

Gesamtstrecke: 20399 m
Maximale Höhe: 2302 m
Minimale Höhe: 1223 m
Gesamtanstieg: 1441 m
Gesamtabstieg: -1434 m
Gesamtzeit: 08:33:16

Disclaimer
Ich beschreibe auf meiner kleinen Website natürlich nur meine persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen. In der Bergen seid Ihr selbstverständlich eigenverantwortlich unterwegs. Bitte nutzt vor Euren Touren die mannigfaltigen Informationsmöglichkeiten im Netz, die einschlägige Literatur (z.B. den Wanderführer „Hohe Tatra“ von Václav Klumpar, ISBN: 978-3-7633-4503-8) und/oder konsultiert die Informationsstellen vor Ort. Viel Spaß in den Bergen!