Nun hat es also doch geklappt! Wir sind in Slowenien! Irgendwie konnten wir noch ein paar Urlaubstage zusammenkratzen und sitzen nun vor unseren Zelten im Camp Gabrje, einem kleinen Campingplatz unweit von Tolmin, schlürfen die letzten Schlucke Kaffee und können unser Glück kaum fassen. Wenige Meter hinter uns windet sich das malerisch schöne Flüsschen Soča in einem wundervollen Türkis das Tal hinunter. Auf der anderen Seite blicken wir auf den vorderen Teil der Ridge, die das Fluggebiet so beliebt macht: Schier endlose Berg- und Felsformationen, die von wenigen Taleinschnitten unterbrochen, bis nach Italien reichen und unglaublichen Gleitschirmspaß verheißen.

Camp Gabrje wird zu einem guten Teil vom Gleitschirmpiloten bevölkert, denn die (Flug-)Infrastruktur ist außergewöhnlich: Der Zeltplatz verfügt über einen eigenen Landeplatz und organisiert und betreibt Shuttle-Busse zu den beiden nächsten Startplätzen – bequemer geht es nicht! Der Kobala-Startplatz befindet sich unweit des Camps oberhalb von Tolmin am östlichen Ende der Ridge, der Stol ist deutlich weiter entfernt und befindet sich zwei Talquerungen weiter ungefähr auf halbem Weg nach Italien. Wir entscheiden uns für den Kobala und sitzen schon bald in einem von drei Shuttle-Bussen, die sich eine abenteuerlich enge Bergstraße hochschlängeln. Wer hier hinter dem Steuer sitzt, braucht wirklich gute Nerven!

Der Endgegner… 😉

Als wir am Startplatz ankommen, ist hier schon einiges los: Drachen stehen aufgebaut und warten auf ein Startfenster, Gleitschimpiloten hocken fachsimpelnd beieinander, nesteln an ihren Ausrüstungen herum und schauen abwechselnd in den Himmel und in ihre Wetterapps, es ist aber noch niemand in der Luft. Noch zieht die Thermik nicht durch, Geduld ist angesagt. Einige wenige starten doch, werden aber schnell den Berg hinuntergespült und bestätigen damit die Entscheidung der noch Wartenden…

Blick vom Kobala-Westartplatz, heute gehen wir aber am Oststartplatz in die Luft.

Parawaiting ist ganz klar eine Disziplin, in der ich noch Trainingsbedarf habe! Ich werde schnell ungeduldig und fange mir dann oft lustige Kommentare der Flugfreunde ein.. Heute sollte ich aber auf keinen Fall zu zeitig starten. Wenn ich hier nach dem Start absaufe, muss ich erst irgendwie zum Campingplatz zurückkommen, dort das nächste Shuttle buchen und dann wieder hochfahren. Das würde mich locker 2-3 Stunden und damit vielleicht sogar den ganzen Flugtag kosten…

Gut, dass ich mich mit Kumpel E. noch einmal über die Details der Flugroute und der neuralgischen Punkte unterhalten kann. Er war vor Jahren schon einmal hier, hat unseren Kurzurlaub organisiert und kann uns viele Tipps zum Gelände und der Flugtaktik geben. Unser heutiger Flugplan ist gleichermaßen simpel wie aufregend: Nach dem Start vom Oststartplatz müssen wir Höhe machen, weil bereits direkt neben dem Kobala die erste Talquerung ansteht. Ist diese gemeistert, können wir uns den ersten Teil einer Ridge entlang arbeiten. Danach kommt ein riesiger Kessel, der wahrscheinlich nicht direkt überflogen werden kann, sondern in einem großen Bogen entlang der höheren Berge im Nordosten überwunden werden muss. Dann kommt schon Kobarid, der nächste große Talsprung. Erst danach werden wir uns an der schier endlosen Ridge befinden, die am Stol vorbei bis nach Italien führt. Puh, die Aufregung und Vorfreude wachsen…

Endlich scheinen sich die Bedingungen zu verbessern: die ersten Piloten starten und können sich halten. Allerdings ist es wohl alles andere als ein Selbstläufer. Heftige Kappenbewegungen lassen auf kleinräumige und kräftige Thermiken schließen, zudem muss man an diesem Tag früher oder später im Lee aufdrehen. Ruhiges Thermikkurbeln steht somit heute wohl nicht an. Wir machen uns fertig. Ein letzter Check, und los gehts:

Der Start gelingt mir gut, nun beginnt die Arbeit. Schnell gelingt es mir, den Startplatz zu überhöhen – puh, das wäre geschafft! Doch ab einer gewissen Höhe macht sich das Lee zunehmend bemerkbar und der Schirm über mir fühlt sich nicht mehr gut an. Weiter hinten sehe ich E. aufdrehen, doch bevor ich zu ihm rüber fliegen kann, um in seiner Thermik aufzudrehen, kommt von ihm über Funk die Warnung, dass das alles kein Spaß sei und definitiv nicht empfehlenswert sei. Ok, dann versuche ich es an einer anderen Stelle. Und an einer weiteren. Endlich schaffe ich es als einer von wenigen Piloten, die nötigen Höhenmeter zu kurbeln, um den ersten Talsprung zu meistern.

Mittlerweile ist E. ist in einer kleinen Gruppe auf die andere Talseite gewechselt und ist schon längst nicht mehr in Sicht. Ich habe also keine Vorflieger mehr und bin alleine unterwegs, die Aufregung steigt. Würde ich jenseits des Tales Thermik finden? Doch noch ist es nicht soweit, noch habe ich Zeit, bei der Querung die wunderschöne Landschaft zu genießen. Hohe Berge, malerische Täler, dazwischen kleine Hügel, wundervolle Flussläufe und Seen – was für ein Glück es doch ist, hier fliegen zu können! 🙂

Schnell noch etwas trinken und schon komme ich auf der anderen Talseite an. Ich hatte eine exponierte Rippe anvisiert, an der ich Thermik finden müsste und tatsächlich zieht es hoch und lässt mich schnell über die Kante steigen. Ich spüre, wie die Anspannung in mir etwas nachlässt. Vor mir liegt eine ansteigende Ridge, an der sich leicht die Thermikabrisskanten ausmachen lassen, sodass ich mich gut voranhangeln kann.

Nach dem ersten Talsprung habe ich gleich Thermikanschluss – so kann es bitte weitergehen… 😉

Das ging schnell, ich befinde mich schon am großen Kessel, beschließe aber, ihn nicht im weiten Bogen auszufliegen, sondern in gerader Linie zu queren. Auf der anderen Seite habe ich ansteigende Hänge ausgemacht, an denen ich eigentlich Thermikanschluss finden müsste. Doch als ich da ankomme, ist außer kleinen Hebern nichts, verdammt! Ich befinde mich nun direkt an der Kobarid-Talquerung und komme nicht über 1100m hinaus. Diese Höhe reicht nie, um in einem Rutsch das Tal zu überfliegen. Allerdings befindet sich auf halben Wege, mitten im Tal das Hügelchen Kuk, das wir liebevoll „Mittelpocke“ getauft haben. Wenn ich dort Thermikanschluss bekommen würde, wäre der zweite Teil der Talquerung einfach machbar. Falls nicht, würde ich allerdings irgendwo in Kobarid landen müssen und wäre dann auf den „Abholdienst“ einer der Flugfreunde angewiesen. Ich will diesen Fall aber nicht einfach so einkalkulieren, fliege daher eher konservativ und entschließe mich zur Umkehr.

Auf dem Rückweg habe ich den Kessel schnell überwunden, allerdings finde ich keine Thermik. Es gelingt mir nicht, erneut über die Ridge zu kommen. Ich kratze noch ein wenig direkt am Hang, entschließe mich dann aber doch zu einer Außenlandung, die mir gut gelingt. Ich packe in aller Ruhe zusammen und laufe die rund 3km zurück zu den anderen, die bereits gelandet sind. Aus unserer Fluggruppe ist nur noch E. in der Luft. Wie sich später am Abend herausstellen wird, befand er sich vor dem letzten Talsprung an exakt derselben Stelle in exakt der selben Höhe wie ich. Im Gegensatz zu mir ist er allerdings losgeflogen, hat tatsächlich über der Mittelpocke Thermik gefunden hat und konnte den Flug entlang der Ridge noch viele Kilometer verlängern. Er hatte mir das alles sogar noch gefunkt – ich hatte seinen Funkspruch aber komplett missverstanden und war davon überzeugt, dass er mich mit einem anderen Piloten verwechselt hat.

„Verdammt, das war eine gute Gelegenheit, die ich ausgelassen habe…“ schoss es mir durch den Kopf! Doch schon bald überwog die Freude über meinen gelungenen Soloflug in dem für mich neuen Fluggebiet. 🙂

An den folgenden Tagen sind wir noch einige Mal vom Kobala gestartet – ich hatte beispielsweise einen sehr coolen Flug mit E., in dessen Verlauf wir erst zusammen mit Geiern geflogen sind, anschließend den Talsprung bei Kobarid absolviert haben, die lange Ridge bis etwas hinter den Stol geflogen sind und es wieder nach Hause geschafft haben. Es war aber auch noch ein zweiter aufregender Soloflug dabei. 🙂
Ich bin überglücklich, endlich mal in Slowenien fliegen gewesen zu sein! Mein Dank geht an E. – ohne Dich wäre das nicht möglich gewesen! 🙂 Ich freue mich schon aufs nächste Mal! 🙂

Tracklog meines ersten Flugs im Tolminer Fluggebiet.

Beim Gleitschirmfliegen gibt es immer wieder Momente, in denen ich vor Glück platzen könnte! Eines dieser absoluten Hochgefühle wurde mir in diesem Jahr in Slowenien beschert!

Gerade noch hatte ich an einer Bastelstelle alle Hände voll zu tun, um mich wieder auszugraben und den Flug mit einem Freund fortsetzen zu können, der einen Berg weiter mit deutlich mehr Höhe auf mich wartete. Ich kratzte also am Hang, versuchte jeden noch so kleinen Heber mitzunehmen und fand dann endlich Anschluss. Mit diesen paar Metern mehr Höhe war es dann plötzlich recht einfach – puh, die Schwierigkeit war gemeistert. 😉 Kaum flog ich wieder in Richtung des nächsten Wegpunktes, glaubte ich, in einiger Entfernung einen großen Vogel auszumachen. Dann noch einen und noch einige andere. Für Alpendohlen waren sie deutlich zu groß, Bussarde vielleicht oder Adler? Aber so viele an einer Stelle? Und dann realisierte ich es endlich!

Dies waren Geier, die direkt neben Gleitschirmen gemütlich in der Thermik aufdrehten. Es ratterte in meinem Kopf: Mönchsgeier? Nein, das müssen Gänsegeier sein! Gut ein halbes Dutzend dieser großen Flugkünstler drehten erst in einiger Entfernung, doch schon bald direkt über mir – was für ein Gefühl! Und dann bemerkte ich im Augenwinkel eine Bewegung auf meiner Höhe! Einer der Geier flog direkt an mir vorbei, drehte den langen Hals zu mir rüber und schaute mich an, während er vorüberglitt. Herrlich!

Das ist für mich die Essenz des Gleitschirmfliegens. Mitten in der der Natur zu sein, ohne störend einzugreifen. Die Insta360 X3 rückt diese nahen Motive mit ihrer Weitwinkligkeit leider unwirklich in die Ferne. So muss man schon genau hinschauen, um die Vögel auf den Bildern erkennen zu können. In meiner Erinnerung sind sie aber immer noch präsent. 🙂